Kunst - ausgestellt in Berlin 2022/23

28/01/2023

In den vergangenen Wochen hatte ich die Gelegenheit, mir eine ganze Reihe von Ausstellungen und Museen in Berlin anzuschauen. Hier ein paar Erinnerungsstützen und Notizen zu den Eindrücken, die ich dabei gewonnen habe:



















Mein Highlight war eine kleine Ausstellung im Kupferstickkabinett mit den Schreibmaschinenarbeiten von Ruth Wolf-Rehfeldt, einer Künstlerin, die in der DDR lebte und mit dem Mauerfall und dem damit zeitlich (nicht ursächlich) einhergehenden Abschied der Schreibmaschine aus Büros und Arbeitszimmern, ihre künstlerische Beschäftigung mit dem Thema eingestellt hat. Diese konsequente Haltung findet man auch in ihren Arbeiten wieder. Das sind leise Sachen, die zugleich eine immense Konzentration und grafische Eleganz ausstrahlen. Sehr empfehlenswert! Leider nur noch bis 5.2. zu sehen. 

https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/hannah-hoech-preis-2022 Arrow Right Long



Mehr aus einer privat eingebildeten kulturpolitischen Pflicht heraus habe ich mir das neue Humboldtforum angesehen und auch hier muss ich zugeben, dass das positiv konnotierte Erstaunen das Kopfschütteln in die Ecke gedrängt hat. Lässt man die Albernheiten der Stadtschlossfassade und der Kuppel mit inakzeptablen Schriftzügen kurz beiseite und geht in die ethnologische Ausstellung, dann kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Die großzügigen Räume erlauben eine Präsentation dieser wunderbaren Objekte, die nicht nur respektvoll daherkommt, sondern außerdem die zum Teil atemberaubende Schönheit der Sachen zutage fördert. Ich weiß, ich weiß: Postkolonial, Beutekunst usw. Das kann einem die Freude an dieser Ausstellung vermiesen. Doch ich bin vor allem dankbar, dass ich diesen Einblick in die unglaubliche planetarische Vielfalt des gestalterischen Arbeitens gewinnen durfte. Also nichts wie hin, bevor die Sachen aus guten Gründen in ihre Heimatländer zurückgegeben werden und wir wegen des Klimawandels nicht mehr wegen einer Ausstellung durch die Welt fliegen dürfen! (Was ich eh noch nie gemacht habe…)


Im Hamburger Bahnhof wird eine Ausstellung mit Sachen gezeigt, die man eigentlich nicht ausstellen kann: Klangkunst und Musik. Genau genommen zeigt „broken music Vol. 2“ die Bestände des ziemlich legendären Berliner Plattenladens „Gelbe Musik“, der von Ursula Block lange Jahre betrieben wurde und wo man Platten bekam, die von Leuten gemacht wurden, die man eher der Kunst- als der Musikszene zurechnen würde. Da gibt es Einiges zu entdecken und vieles zu hören. Ein paar Installationen u.a. von Hans Peter Kuhn und Christina Kubisch lockern die Reihen von an der Wand hängenden Plattencovern etwas auf. Eine tolle Ausstellung  für Freaks der Klangkunst! Mein Favorit war ein Video über die Chemnitzer (Karl-Marx-Stadt!“) Klang- und Videokunstszene Mitte der 1980er Jahre und den sogenannten Jugendsender DT64, wo die experimentellen Sachen für ein paar Jahre eine Nische besetzen konnten. 

Bis Mai ´23 zu sehen:

https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/broken-music-vol-2/ Arrow Right Long


Vor ein paar Monaten wurde die Neue Nationalgalerie im ikonischen Bau von Mies van der Rohe nach Renovierung wiedereröffnet und dort kann man gerade zwei Ausstellungen betrachten, von denen eine die Probleme moderner Museumsarchitektur und die Auswirkungen auf die Kunst exemplarisch vorführt. 

Die Architektur des Baus ist genau genommen für ein Kunstmuseum völlig ungeeignet. Das Einzige, das man in dem Glasbau ausstellen kann, sind Skulpturen. Jede Zwischenwand stört die für sich so eindrucksvoll wirkende Aura des Gebäudes und zeigt, wie sehr hier die Architektur in Konkurrenz zur Kunst steht, statt ihr zu dienen. Die Ausstellung von Monica Bonvincini ist ein gutes Beispiel für das, was herauskommt, wenn diese Art von Museum bespielt werden muss. Mir liegt nicht viel daran, die Arbeiten von Bonvincini zu kritisieren. Stattdessen stelle ich nur die allgemeine Frage, wer außer der „Kunstszene“ diese Art von aufgeblähten Ausstellungen, die man überall in den überdimensionierten Museumstempeln antrifft, benötigt. Ich jedenfalls nicht. 

https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/neue-nationalgalerie/ausstellungen/detail/monica-bonvicini/ Arrow Right Long



Die architektonischen Schwierigkeiten, mit denen die Neue Nationalgalerie zu kämpfen hat, wurden in gewisser Weise dadurch gelöst, dass man in den Keller ein ganz normales Museum eingebaut hat. Und dort wird zur Zeit eine Ausstellung mit dem Titel „Die Kunst der Gesellschaft“ gezeigt; aus den Beständen der Nationalgalerie sieht man Kunst aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, teilweise mit Berlinbezug. 

https://www.smb.museum/museen-einrichtungen/neue-nationalgalerie/ausstellungen/detail/die-kunst-der-gesellschaft/ Arrow Right Long

Das ist sehr eindrücklich, wenn auch etwas überbordend. Da fehlt kaum ein großer Name und einige weniger großen werden schön präsentiert. Herausragend für mich eine kleine Arbeit von Schwitters mit einer Kathedrale, die aus drei Stückchen Holz entsteht. Außerdem eine große Skulptur von Max Ernst mit einer sehr schrägen Kleinfamilie und ein frühes dripping painting von ihm, das, der dort erzählten Geschichte nach, Jackson Pollock auf die Spur gesetzt hat. 

Ein Name, der leider mal wieder fehlt, ist Otto Freundlich, einer der großen vergessenen Künstler, der nie den großen Ruhm abbekam, weil er in seinen Arbeiten gewissermaßen zu konsequent war. Freundlich lebte und arbeitete in Berlin, in Köln, wo er in der Zwischenkriegszeit die Szene rund um seinen Freund Franz Seiwert mit prägte, und in Paris. Dort über-lebte er in den 1930er Jahren in bitterer Armut und zugleich hochgeschätzt von den Kolleg*innen, die mit einer Ausstellung versuchten, ihm die Resonanz zu verschaffen, die er verdient gehabt hätte. Zeugnisse dieser Aktion findet man in einer zur „Kunst der Gesellschaft“ komplementären Ausstellung im Jüdischen Museum: „Paris magnétique“ gibt einen sehr beeindruckenden und bewegenden Überblick über die „Ecole de Paris“ und die Künstlerszene in der damaligen kulturellen Welthauptstadt von Anfang des 20. Jahrhunderts bis 1945 – mit Schwerpunkt auf die jüdischen Künstler*innen.

https://www.jmberlin.de/ausstellung-paris-magnetique Arrow Right Long

Und vergisst dabei Otto Freundlich nicht, der 1943 von den Nazis ermordet wurde – wie so viele andere jüdische Künstler, die in der französischen Metropole Zuflucht gefunden hatten. 

Die Ausstellung ist auffallend gut kuratiert und für sich schon ein guter Grund, mal wieder nach Berlin zu fahren.


accidental sculpturing Berlin 202

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